Warum es uns Menschen so schwer fällt, den Hund nicht ständig zu beachten und wieso das nicht sonderlich gut ist für die Mensch/Hund-Beziehung.
Auf Instagram habe ich kürzlich in einem Post (mit obigem Bild) darüber geschrieben, dass ich alle verstehen kann, die sich damit schwer tun, ihrem Hund nicht ständig zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Wieso man das nicht sollte, ist bereits vielen klar. In der Natur wird v. a. dem «Dominanten» die grösste Aufmerksamkeit zu teil. Ist ja auch sinnvoll, denn dieser zeichnet sich meist dadurch aus, dass er ein «Macher» ist, eine coole Socke und stets alles im Griff zu haben scheint. Wieso also sollte man sich nicht an demjenigen orientieren ...? Hunde kennen nicht solch einen ausgeprägten «Jööh-Effekt», wie wir Menschen. Natürlich wirkt auch bei ihnen das Kindchen Schema. Aber dann eben wirklich beim Welpen, Das hat die Natur ja auch clever eingerichtet. Der Welpe oder allgemein das Jungtier, hat schlicht keine andere Chance, als in seiner Hilflosigkeit niedlich und unschuldig zu wirken, damit man es nicht als Bedrohung ansieht und in Ruhe lässt, bzw. der Beschützerinstinkt geweckt wird.
Aber Achtung: der berühmte Welpenschutz gilt nur in der eigenen Familie, nicht jedoch bei Fremden! Fremdwelpen können gut und gerne ebenso als Ressourcenkonkurrenten angesehen werden oder schlicht auch einfach nerven und da ist wirklich Vorsicht geboten!
Ein Welpe sieht aber nicht nur süss aus, er bewegt sich zudem auch unbeholfen tapsig, gibt quetschende Laute von sich, riecht noch jung und zart und sein gesamtes Verhalten bildet ein rundes, stimmiges Bild. Kein erwachsenes Tier macht hingegen bei dessen Anblick ein verzücktes Gesicht, schlägt die Pfoten über den Kopf und gluckst aufgeregt vor den Jungtieren umher. Im Gegenteil – sie beschäftigen sich viel eher mit der Aussenwelt, dass ihnen ja nichts zu nahe kommt ...
Und verhält sich ein erwachsenes Tier immer noch wie ein Welpe, wird das nicht selten rigoros sanktioniert. «Benimm dich deinem Alter und Status entsprechend! Sonst bist du nicht hilfreich für die Gruppe!» Und wer nicht dienlich ist und nur schmarotzt, fliegt raus! Das will man nicht! Welpen haben da eine Sonderstellung, weil sie NOCH nichts können. Man will ja seine Gene weitergeben, sich eine grosse, sichere Gruppe schaffen. Das macht überlebenstechnisch durchaus Sinn. Doch diese Nutzniesser Phase ist bald mal zu ende und dann wird etwas adäquate Unterstützung eingefordert. Ein erwachsenes Tier will also sicher nicht behandelt werden wie ein hilfloser Welpe und wenn der Mensch sich seinem Hund gegenüber verhält, wie ein Jungtier dem Dominanten, na dann haben wir dann eben das Dilemma.
Wieso also fällt uns Menschen das im Allgemeinen so schwer, Hunde nicht zu begrüssen, nicht anzufassen und nicht anzuschauen ...?
Das lässt sich psychologisch durchaus erklären
Menschen brauchen die sozialen Strukturen genauso wie Tiere. Auch der Mensch ist als Ausgeschlossener ziemlich verloren auf dieser Welt. Schon als kleine Kinder tun wir alles dafür, den Eltern zu gefallen, damit sie uns nicht verstossen. Manche Eltern vermitteln ihren Kindern bedingungsloses Angenommensein, manche vermitteln Liebe als Lohn für gewisse Leistungen. Schon allein das kennen Tiere nicht. Darüber dürfte man auch mal nachdenken, bzgl. Lob & Strafe ...
Wer Tiere mag, hat meist eine ausgeprägtere soziale Ader. Wir suchen die Nähe zur Gruppe, zur Gemeinschaft. Wir möchten selbst dazugehören und möchten auch Zugehörigkeit anbieten.
Nun kommt der springende Punkt Bereits als Kind ist es überlebenswichtig, gesehen zu werden, nicht übergangen zu werden. Im Verlauf des Lebens suchen wir nach An-erkennung – je nach Prägung oft für besondere Leistungen. Werden wir nicht gesehen, nicht an-erkannt, rutschen wir durch's Raster und drohen, in der Menge unterzugehen, in Vergessenheit zu geraten. Das fühlt sich bedrohlich an und ist es in gewissem Sinne auch. Natürlich spielen hier x-verschiedene Ausprägungen mit rein, die jetzt in diesem Artikel zu weit führen würden. Was sich daraus jedoch ableiten lässt, ist die Tatsache, dass wir Menschen uns über ein hohes Mass an Aufmerksamkeit eine gewisse Zugehörigkeit und ein Gefühl des Angenommenseins vermitteln. Würden wir unseren Besuch nicht begrüssen, empfänden wir dies als extrem unhöflich, der Besuch fühlte sich nicht wirklich willkommen. Essen teilen gilt als eine friedliche Geste. Sich die Hände schütteln ebenfalls. Darüber wird übrigens auch unbewusst energetisch die Tagesform abgefragt ...
Das alles kennen Tiere so nicht. Läuft die Leitkuh los, trotten alle hinterher. Man muss also stets aufpassen, dass man den Anschluss an diese nicht verliert. Das Leittier hingegen läuft einfach – egal ob die anderen kommen oder nicht. Es fragt nicht oder fordert die anderen auf, mitzukommen. Die tun es einfach, weil es das Leittier einfach tut. Es scheint einen Grund zu haben und wo dieses lang geht, geht es allen gut. Natürlich achtet ein Leittier auf seine Herde oder sein Rudel. Natürlich hat es sowas wie ein Verantwortungsgefühl. Diese zeigt es aber nicht, durch permanente Aufmerksamkeit den Schützlingen gegenüber, sondern eben vielmehr nach aussen gerichtet.
Dieses Wissen können wir uns im Alltag mit unseren Hunden zu Nutze machen. Denn sie werden sich kaum überlegen, wie wir so ticken. Sie handeln instinktiv, nicht rational. Wir hingegen haben durch unsere kognitiven Fähigkeiten die Möglichkeit, sie besser kennen, verstehen und behandeln zu lernen. Und ganz nebenbei helfen sie uns sogar noch, uns selbst noch tiefer erfahren zu dürfen, uns daran weiterzuentwickeln. Deshalb sage ich immer wieder: ich trainiere keine Hunde, ich helfe Menschen, Hunde zu verstehen und dadurch in eine Harmonie zu gelangen, zwischen Hund und Mensch – aber auch mit sich selbst. 🥰💞🐾
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